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Vorpremiere

Unser Film ist fertig! Vorpremiere am 18. Oktober, 17 Uhr in Breklum. Ich freue mich darauf, unser Ergebnis mit dem Filmteam und euch, liebe Spender, zu teilen, die ihr es möglich gemacht habt, dass unser Traum real geworden ist!

Gute Besserung

Nach zehn Tagen Krankenlager – fiebriger Atemwegsinfekt – Rückkehr in die Zivilisation: Ich tausche die Schlafanzughose gegen die Jeans, verpack mich im BH, weck den Blick mit Wimperntusche, hauch mir die blassen Wangen rosarot. Nicht zu lang in den Spiegel gucken, sondern den Sessel in die Sonne schieben, himmelwärts schaun.
Die Küche striegeln und den Abwasch richtig cool finden. Kartoffeln kochen, n` Schlach Quark drauf, und gut iss.
Abends den Mann ins Bett holen. Wir flittern uns durch die Laken, dass uns das Leben nur so um die Ohren fliegt.

Autonomie

Es war einmal eine dicke, dralle Deern, die hieß Autonomie. Die flog so durch die Lande, mal da, mal hie, rumdidum und kreuzdiquer und fühlte sich pudelwohl. Die Freiheit wehte ihr sanft um die Nase und sie dachte, so könnte es immer sein.
Doch eines Tages kam eine böse Hexe daher, die hatte sich schon lange geärgert, dass die dralle Deern immer genau über ihrem Hexenturm längs flog und dazu auch noch ein lustiges Liedchen pfiff. Sie belegte die muntere Deern mit einem bösen Fluch, der sich langsam wie ein schwelendes Feuer in ihrem Körper ausbreitete. Erst wurden der Deern die Flügel lahm, sie musste öfter Pausen machen, wenn sie durch die Lüfte segelte. Dann brachen ihr eines Tages unvermittelt die Flügel weg. Dann geh ich eben zu Fuß, dachte die dralle Deern und hüpfte weiter. Da schoss ihr ein böser Blitz durch die Beine, erst musste sie humpeln, dann konnte sie nicht einmal mehr gehen. Dann fahr ich eben im Rollstuhl weiter, dachte die dralle Deern und rollte los. Aber da schoss ihr ein jähes Zucken durch die Arme und sie konnte ihren Rollstuhl nicht mehr bewegen. Da legte sie sich ins Bett und stapelte einen Berg Bücher um sich herum, um sich in den Schutz der Buchstaben und Worte zu flüchten. Doch der bösen Hexe konnte dies nichts tun und sie schnippelte und säbelte am Leib der drallen Deern herum, hier noch ein Häutchen und da noch ein Knöchelchen, bis diese ganz mager, blass und elend war. So runtergekommen fühlte es sich gar nicht mehr gut an für die einst blühende Autonomie und die zwitschernden Vöglein und die verheißungsvollen Sonnenstrahlen, die ziehenden Wolken und die sanft blasenden Winde waren kein Trost in ihrer Not. Sie schrie, weinte und fluchte, aber es kam keine gute Fee, um sie zu erlösen, und kein guter Zauberer, um sie zu retten, denn die böse Hexe hatte alle Gewalt an sich gerissen. Sie trieb ihr gemeines Spiel bis zum Letzten, bis von der blühenden Autonomie kein Fitzelchen mehr übrig blieb. Erst dann rieb sich die böse Hexe zufrieden die Hände und machte sich davon, auf der Suche nach einem neuen Opfer. Denn anders als im Märchen gehen solche Geschichten immer schlecht aus.

 

Solidarität mit Kuscheltieren

Auf der Kinderseite der ZEIT zeigen sie sich in einer Foto-Galerie: abgelutschte, abgewrackte Kuschelhasen und –bären. Sie sind eins, zwei, dreißig, sechzig, achtzig Jahre alt, in Ehren gehalten und zärtlich geliebt, obwohl zerrupft, zerzaust, zerfasert, im Zerfall begriffen. Farbverblasst, das Fell fleckig, struppig, abgerissen, der Kopf flattert auf dem Leib, ein Auge fehlt. Man sieht es ihnen an: Sie werden geliebt. Trotz alledem. Ich sehe sie an und fühl mich getröstet. In Gedanken häng ich mein Konterfei an ihre Seite.

Let it be

Am seidenen Faden häng ich nicht. Noch nicht. Geknüpft ans Seil meines Lebens baumeln meine Aktivitäten. Einer nach der andern geb ich Schnur, lass sie durch meine Finger gleiten, los. Halte ich das Tau zu straff, brennt es sich in meine Haut, lass ich einfach los, schießt es zügellos davon und ich steh mit leeren Händen da.
Und ich drück auf die Kalenderfunktion „Ereignis löschen“. Mein smartes Handy, das weiß, was ich wissen soll, fragt mich: „Nur dieses Ereignis“ oder „Alle zukünftigen Ereignisse“. Ich drücke „alle zukünftigen Ereignisse“. Donnerstags Fitnesstraining. Täglich: Job. Täglich: Theaterprojekt eins. Täglich: Theaterprojekt zwei.
Dienstags Pilatestraining.
Als ich mein letztes Theaterprojekt abgebe, brauche ich eine dreifache Portion Birne Helene, um den Tag zu überstehen. Gegen Tränenflut hilft nur ein fettes Bollwerk Zucker.
Ich habe zwar eine Metastase im Bauch, aber die Bauchmuskelübungen werden durchgezogen. Dachte ich. Mein Geist sagt: Spinnst du? Stopp! Ich gehorche. Sofort. Die Trainerin sieht mich forschend an, aber sie fragt nicht. Sie weiß Bescheid. Bin nach dem Training total erschossen und weiß, dass ich künftig nicht mehr die Erweiterung der Erweiterung der Basisübung mache, sondern auf dem Boden der Tatsachen, Stufe Eins, bleibe. Ehrgeiz, verabschiede dich. Aber ich melde mich bei drei neuen Yoga-Kursen an. Trotz, komm raus, du bist umzingelt. Dann bewege ich eben weniger meinen Körper, aber dafür mehr meinen Atem und meinen Geist. Ätsch! Statt Bi- und Trizeps zu stressen reise ich entspannt ins Innere meiner Nasenwurzel. Hübsch atmen, damit sich das Tor zum reinen Geist öffnet. Wer weiß, was ich auf meine gezählten Tage noch alles entdecke. Planeten, Galaxien, Universen. Ich halte es wie mit dem Treppensteigen in der Uniklinik. Solange ich mich bewegen kann, bewege ich mich und solange geht auch was.

Die Freundin

Die Freundin kämmt ihr langes, braunes Haar, schön, wie eh und je. Nur der Pullover schlackert um die Hüften, die Sorge ums Kind hat den Speck von den Rippen gefressen. Wir pfeifen heut auf das, was uns bekümmert, schlingen den Schal fester um den Hals und ziehen los. Picasso bewundern hier und Second-Hand-Klamotten anprobieren dort. Wir treiben durch die Stadt und stranden in einem Café, ein Tag vibrierender Leichtigkeit, den die erste Frühlingssonne kitzelt. Die Zeit vergessen über das Wort, die Männer, die Kinder, den Schmerz, die Lust, die Ratlosigkeit, das Aushalten und Ertragen, das Strick-, Häkel- und Kochrezept, die Projekte, die Bücher, Gedichte und Bilder, die Macht der Erinnerung, die alten Zeiten, das Studium, die Menschen, die vorbeizogen, die noch in dir wohnen, nichts beschönigen, nichts verschweigen, lachen und witzeln und die Dinge lassen, wie sie sind. Ich drück den Knopf und lass die 400 Kilometer Autobahn zusammenschnurgeln wie das Maßband zurück ins Kästchen. Distanz, du kannst uns gar nichts.

Selbstmörder versauen die gemütlichste Bahnfahrt

Noch zwanzig Minuten bis Münster. Bahnhof Osnabrück und da kommt diese Durchsage: Die Strecke von Osnabrück nach Münster ist gesperrt. Wegen eines Notarzteinsatzes wird der Zug über Rheine umgeleitet. Voraussichtliche Verspätung 80 Minuten.

Der ältere wohlsituierte, gediegene Herr im feinen grauen Anzug blickt von seiner Lektüre auf (ich wüsste zu gern, was er liest) und fängt laut an zu fluchen: Diese Bahn, diese scheiß Bahn. Es ist nicht zu fassen, so eine Scheiße. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich, wie er die Lefzen hochzieht der Geifer aus dem verzerrten Maul läuft, der Sabber auf seinen feinen Anzug tropft.

Überall haben die Leute Handys ans Ohr geklebt und telefonieren hektisch rum, als stünde ein atomarer Erstschlag bevor.

Im Bordbistro entspinnen sich an der Theke kleine Dialoge:

ZEIT-Magazin- zum Spiegel-Leser, beide Hefeweizen bewehrt:

Die sammeln jetzt die Stücke ein.

Jo, iss halt so.

Augen zurück zum Scrabble, zur Lektüre.

Die Frau in der Warteschlange mit dem Verstand im Arsch, der so fett wie ein Fass: Ach, das ist ja zu ärgerlich. Also, künftig fahr ich wieder Auto.

Da versaut doch so ein Selbstmörder glatt den wohlverdienten Feierabend!

Toastbrot

Es ist immer so: Stecke ich eine Scheibe Toast in einen Toaster mit Doppelschlitz und toaste diese eine Scheibe Toast, so kommt dieser eine Toast, immer, aber wirklich immer, verbrannt raus, auch wenn ich die Temperatur absenke. So ein verbrannter Toast ist schwarz, angekohlt und das Schwarze, Angekohlte ist bekanntermaßen krebserregend. Früher, also v.Kd., meint Zeitrechnung vor Krebsdiagnose, hätte ich den schwarzen, verkohlten Toast schnurstracks in den Müll befördert. Jetzt, Zeitrechnung n.Kd., nach Krebsdiagnose, hole ich mir ein Messer, kratze das Allerschwärzeste, Allerverkohlteste ab, streiche Butter auf den Toast und beiße rein. Mahlzeit. Krebs zu haben kann auch sehr erleichternd sein. Man hat ein paar Sorgen weniger.