Januar, Rügen
Ausgeloggt. Der Frost hat eine zarte Haut über die Insel gespannt. Die Bäume schütteln ihre Tropfenlast von den Bäumen, erfrischen mein Gesicht. Fast Windstille, kaum jemand ist an diesem Morgen im Wald und am Strand unterwegs. Nur einige versprengte Fußgänger, Paare wie wir, unter denen die Steine knirschen. In den Feuersteinfeldern der Insel setzen wir aus Steinen trotzig unsere Initialen in die Ewigkeit, das Herz aus roten Hagebutten werden sich die Vögel holen.
Fühle mich nach Spaziergang, Meditation und Massage total runtergefahren. Dämmere in der Sauna vor mich hin, liege in diesem heißen, hölzernen Kasten und hab die Zukunft weggeschoben. Meine Poren schwitzen die Angst weg, die Gesichtsmaske streicht die Sorgenfalten glatt. Im Schwimmbad lasse ich mich auf dem Rücken dahintreiben, das Glasfenster weit über mir spiegelt meine Silhouette, weit weg und ganz nah. Ich betrachte den Miniaturausschnitt meiner selbst, der in einem rechteckigen Glas schwerelos dahinzutreiben scheint. Ich bin da unten, aber da oben bin ich auch. Hotelgast, kommst du nach Spa, dann sage den Deinen, dass ich mich habe hier treiben gesehn. Möglicherweise wechsle ich mit dem Tod tatsächlich nur die Räume.
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Autobahn.
Die in den Nebel gepinnten, schwach und schwächer glimmenden Rücklichter ziehen mich heimwärts, zurück in das, was auf mich zukommt.
„Der echte Norden“ protzt das Plakat hinter der Landesgrenze – Schleswig-Holstein verkauft sich für blöd. Folgerichtig sollte Mecklenburg-Vorpommern eine Marketingstrategie starten und sich „Der echtere Norden“ nennen. Skandinavien könnte mit „Der echteste Norden“ nachziehen. Baden-Württemberg täte dies achselzuckend ab: „Fick dich, Norden.“ Und die Bayern wissen ohnehin: „Mir san miar.“
Ich steigere: Der echte Krebs, der echtere Krebs, der echteste Krebs – das wäre dann der tödlichste. Oder Endstadium. Ist auch nicht zu toppen.
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