Ich räume im Bad auf. Da hockt eine dicke Spinne in der breiten Milchkaffeetasse, die zum Aufschlagen des Rasierschaums umfunktioniert ist. Ich bin kein Spinnenfreund. Ich ekle mich nicht vor ihnen, sie grusele mich nicht vor ihnen, aber ich bin kein Freund von ihnen. An ihre wunderbaren Netze, die sie kunstfertig spinnen und die im Licht eines tauverhangenen Novembermorgens glitzernd zwischen Bäumen funkeln, denke ich nicht. Weg damit. Ich gieße Wasser in den Becher. Ich gieße das Wasser in den Ausguss. Die Spinne sitzt immer noch da. Sie hat sich zusammengekrümmt. Ich gieße wieder Wasser in den Becher, mit einem etwas stärkeren Strahl, und gieße das Wasser weg. Die Spinne hockt immer noch in der Tasse, zusammengekrümmt, die Beine sind nicht zu sehen. Ich trage die Milchkaffeetasse in die Küche. Ich gieße Wasser in die Tasse, ich gieße das Wasser aus, ich spüle lange, lange mit dem Wasserhahn nach. So, jetzt ist sie weg. Ich warte. Von der Spinne ist nichts mehr zu sehen. Ich fühle mich diffus grausam.

Nach zwei Stunden komme ich in die Küche. Ich denk, ich spinne: Die Spinne hockt im Spülbecken. Das Porzellanbecken ist sehr steil. Die Spinne hat es geschafft, den steilen Rand des Porzellanbeckens hochzukrabbeln. Diese Spinne will leben. Ich nehme meine Porzellantasse mit Goldrand, aus der ich morgens meinen Tee trinke, und lege die Tasse vorsichtig über die Spinne. Ich schiebe die Untertasse der Tasse, auch mit Goldrand, vorsichtig unter die Tasse. Ich trage die Untertasse mit der von der Tasse ummantelten Spinne nach draußen. Auf die Terrasse. Ich setze die Untertasse auf den Boden und hebe die Tasse an. Die Spinne krabbelt davon. Ich sehe ihr nach. Ich fühl mich gut.

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